BAG Urt. v. 25.4.2024 - 8 AzR 140/23 (NJW 32/2024)Altersgrenze - Einstellung - Bewerbung(v.Rechtsanwältin Dr.Vera Slupik, (c))
Das Erfurter Gericht hat entschieden, daß ein Bewerber,
der die tarifvertragliche Altersgrenze nach Dienstabschluß
überschritten hat, wegen seines Alters abgelehnt werden
kann, wenn ein jüngerer Bewerber zur Vefügung steht.
Begründet wird dies mit dem in der Altersgrenze verfolgten Ziel der "ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen"(Leitsatz d.E.).
Diese Entscheidung überzeugt nicht.
Einen solches Ziel ist explizit nirgendwo im Recht des
Landes konstituiert worden.
Zunächst hat die Schulleitung den Kläger vorgeschlagen,
der bereits mehrfach nach seiner Dienstzeit für das Land
als Vertretung im Schuldienst durch Vertrag tätig war. Das
ist nicht ungewöhnlich, da der Planstellenkegel häufig,
auch in anderen Bundesländern, nicht synchron zum Bedarf liegt und immer wieder Vertretungslehrkräfte gebeten werden müssen.
Das gilt auch für andere Bereiche des Öffentlichen
Dienstes und der Wirtschaft.
Die zuständige Bezirksregierung verlangte von der
Schulleitung eine durch Erlaß gedeckte Begründung,
weswegen der Altbewerber vorzuziehen sei, wenn eine
vorhandene Lehrbefähigung des Konkurrenten vor-
handen ist, etwa wegen einer höheren Qualifikation
für die Aufgaben der Vertragsstelle.
Im Ergebnis wurde der Mitbewerber eingestellt, obwohl
die Schulleitung auf die bessere Qualifikation des
Klägers hingewiesen hatte. Daher erhielt also ein
schlechter qualifizierter Bewerber ausschließlich wegen seines Alters eine laufbahnunabhängige Vertretungsstelle.
Dieses Resultat ist praxisfern und durch das geltende
Recht nicht gedeckt.
Zunächst muß geprüft werden, ob die Grundsätze über
Kettenarbeitsverträge aus Treu und Glauben, Sitten-
widrigkeit und BefristungsG nicht tangiert sind.
Das mehrfach durch jeweilige Neuverträge entstandene
Arbeitsverhältnis, unabhängig vom Altdienstverhältnis,
kann zu einem Vertrauenstatbestand führen, der sogar
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis rechtfertigen würde.
Auch der "sachliche Grund" für die Befristung würde
dann keine Rolle spielen. Nur, wenn ein gesetzliches
Verbot, das im übrigen dem Spezialitätsgrundsatz
unterliegt, vorhanden wäre, käme ein anderes Ergebnis
in Betracht.
Denn ansonsten liegt in der Altersberücksichtigung
gerade die Diskriminierung, die wegen des
Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauens-
schutzes, der bis auf die Gründe des BGB, die Recht-
sprechung des Reichsgerichts zurückgeht einschlägig
wäre. Das AGG, die Richtlinie und der TV-L haben
zunächst damit nichts zu tun.
Liegt ein solchen Verbot vor?
In Rdnr. 16 weist das Gericht auf "legitime" Ziele
hin, die beschäftigungspolitischer Natur sind.
Die in Rdnr. 20 erwähnten Höchstaltergrenzen §§ 33 I, V
TV-L sind weder beschäftigungspolitische Grundsätze
für eine altersmäßige Normalverteilung von Beschäftigten,
noch sehen sie eine besondere Förderung jüngerer,
schon in der Laufbahn bevorzugter Bewerber vor.
Diese Regelungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnises und in Abs.5 sind viel älter als
das AGG und die Richtlinie der EU.Es sind Schutzvor-
schriften für die Beschäftigten, damit diese parallel
zu sozialrechtlicher Versorgung wirken und keine
Weiterbeschäftigung vorgenommen werden darf.
Es sollte zu keiner Doppelwirkung kommen.Niemand
dachte bei Schaffen dieser Normen an eine Grundsatz-
entscheidung für die Beschäftigung junger Kandidaten.
Diese werden bei den Laufbahnstellen berücksichtigt.
Das BAG konstruiert hier etwas hinein, was es gar
nicht gibt. Versteht man - jenseits des Wortlauts -
§ 33 TV-L wie das BAG, so würde Art.33 II GG
derogiert, eine Meinung die das BAG sogar vertritt.
Die Organisationsfreiheit(Rdnr. 29) hat aber nichts
mit der individualrechtlichen Einstellungsentscheidung
zu tun. Eine sozialpolitische Grundsatzentscheidung
im Recht zugunsten der jungen Generation existiert
nicht. Man findet nach AGG und Richtlinie zwar
Differenzierungen zwischen den Generationen
(z.B. Generationenvertrag im Rentenrecht), diese sind
hier aber nicht einschlägig, weil nicht konstituiert.
Nach Abs.5 (TV-L) ist die Weiterbeschäftigung geregelt,
damit es ermöglicht wird, diejenigen die die Laufbahn und Dienstalter überschritten haben, weiter zu beschäftigen, wenn Bedarf besteht. So ist es hier.
Daß die Kündigungsfrist -anders als ggfls. nach
KündigungsschutzG - nur 4 Wochen beträgt, hat mit
einer - durch das Gericht unterstellten - Grundsatz-
entscheidung für junge Bewerber gar nichts zu tun.
Es ist eine Harmonisierungsvorschrift der Tarifvertrags-
parteien mit Blick auf die ja durch Rente/Pension
bereits vorhandene Versorgung. Weil kein Bedarf
an einer weiteren sozialen Absicherung besteht, wird
die Frist so kurz gehalten. Es soll flexibel und auf Bedarf
reagiert werden. Das BAG liegt in seiner Argumentation
gänzlich neben der Sache.
Der Erlaß des Landes, auf den sich die Bezirksregierung
beruft, soll auch nicht eine Präferenz für jüngere
Bewerber markieren, sondern bloß sicherstellen, daß
der Vorteil der höheren Berufserfahrung im Verhältnis
zu anderen Kriterien im Einstellungsvorgang nicht zu
stark gewichtet werden darf.Z.B. kann die Einstellung
jüngerer Bewerber passend sein, wenn der Personal-
körper bereits sehr viel ältere Kollegen enthält und
sachlich jüngeres Personal opportun ist.Etwa im Er-
ziehungsbereich wegen der Identifikation von Kindern,
in Kindergärten, wo es eine pädagogische Rolle
spielt.
Bildung ist aber nicht Erziehung. Die höhere
Bildung in Gymnasien und an Hochschulen unterscheidet
nicht nach Alter. Das Akademische kennt kein Alter.
Bildung ist nicht altersabhängig.
Das Gericht unterläßt pflichtwidrig konkrete Überlegungen
zu Lage der Beschäftigten in Gymnasien.
Vielleicht ist in diesem betroffenen Gymnasium der
Altersanteil der jungen Lehrer im Kollegium voll ver-
schoben und durch die Einstellung eines älteren
entsteht ein Zugewinn. Ein Altersüberhang in die andere
Richtung wurde im übrigen nicht vorgetragen.
Das Gericht setzt sich dem Vorwurf aus, die Richtlinie
der EU und das AGG zu verdrehen und deren Intentionen
zu verkürzen. Das gilt auch für die völlig praxisferne
Überinterpretation von TV-L und Erlaß.
Den Erlaß darf man im übrigen auch nicht überstrapa-
zieren. Nicht nur, daß ein Erlaß kein Gesetz ist,
sondern ein voll durchprüfbare Verwaltungsvorschrift.
Hier ist zu sehen, daß es in allen Altersgruppen Vor- und
Nachteile für die Beurteilung der Beschäftigten gibt.
Auch der 30jährige muß sich im Einstellungsverfahren
die höhere Erfahrung des 45jähigen vorhalten lassen.
Die Fälle der Beurteilung bei Dienstalterüberschreitung liegen genauso.
Das Laufbahnrecht und die beamtenrechtlichen
und tarifrechtlichen Vorschriften führen hier zur
Lösung. In der Laufbahn existiert der über 65 jährige
grundsätzlich nicht mehr.
Der TV-L beruft sich nicht auf die Richtlinie 2000/78 EG,
sondern ist weit älter. Er kennt keine Vorschrift des
" gesamtgesellschaftlichen Anliegens der ausgewogenen
Beschäftigung"(Rdnr. 30).In dieser Allgemeinheit
kann es ein politisches Ziel sein. Das deutsche Recht
kennt einen solchen Grundsatz nicht, jedenfalls nicht
in einer konkreten individualrechtlichen Ausstrahlung.
Es widerspricht der Einschätzungsprärogative der
Unternehmen/Arbeitgeber im öffentlichen und
privaten Bereich und der personalen Komponente des
Arbeitsverhältnisses.
Dieses Anliegen müßte im übrigen Verfassungsrang
haben und Art.33 GG derogieren, also den Leistungs-
grundsatz. Vom Wortlaut her ist keine genannte
Vorschrift dazu in der Lage.
Außerdem ist die "hinreichende Qualifikation" bloß ein
Zulassungsgrund für das Auswahlverfahren und kein
Entscheidungskriterium zwischen Konkurrenten. Dort
gilt Bestenauslese. Die Erwägungen des Gerichts
sind daher nicht zutreffend.
Falsch ist auch der in Rdnr. 32 vorgenommene
Hinweis auf EuGH - C - 670/18, eine italienische
Vorlage, in der es um die Vergabe von staatlichen
Aufträgen an Private geht, die durch die dortigen
Behörden unter Hintanstellung der älteren Firmen-
inhaber, die bereits im Ruhestand sind, vorgenommen
wurden.
Arbeitsrecht und Auftragsrecht sind nicht identisch.
Ob dem EuGH in der Sache zuzustimmen ist,
muß hier nicht entschieden werden. Nach Rz.46 der EuGH-Entscheidung wird dort bejaht, daß allgemein
eine "Verjüngung" der "erwerbstätigen Bevölkerung"
ein legitimes Ziel sei, wenn sie unter Ausschluß
der Ruhestandsinteressenten geschieht. Solche
Zielsetzungen kennt das deutsche Recht nicht, schon
gar nicht bei Vertretung oder Gaststellen, die
unter Bedarfsvorbehalt stehen.
Man denke nur an Art.12, 14 GG.
Insgesamt ist hier die individualrechtliche Perspektive
völlig verloren gegangen.
Soweit sich das Erfurter Gericht als Anregungsgeber
für die Politik versteht, muß darauf hingewiesen werden,
daß nicht die jüngere Bevölkerung zahlenmäßig zunimmt, sondern die Menschen immer älter werden und damit häufig auch die beruflich interessierten. Ob solche Anregungen daher Gehör finden, mag dahinstehen.
Schon das Bundesverfassungsgericht mußte in seiner
Geschichte die Kritik als "Ersatzgesetzgeber" hinnehmen
und hat dies später auch berücksichtigt.
Die Entscheidung des BAG überzeugt jedenfalls nicht.
der die tarifvertragliche Altersgrenze nach Dienstabschluß
überschritten hat, wegen seines Alters abgelehnt werden
kann, wenn ein jüngerer Bewerber zur Vefügung steht.
Begründet wird dies mit dem in der Altersgrenze verfolgten Ziel der "ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen"(Leitsatz d.E.).
Diese Entscheidung überzeugt nicht.
Einen solches Ziel ist explizit nirgendwo im Recht des
Landes konstituiert worden.
Zunächst hat die Schulleitung den Kläger vorgeschlagen,
der bereits mehrfach nach seiner Dienstzeit für das Land
als Vertretung im Schuldienst durch Vertrag tätig war. Das
ist nicht ungewöhnlich, da der Planstellenkegel häufig,
auch in anderen Bundesländern, nicht synchron zum Bedarf liegt und immer wieder Vertretungslehrkräfte gebeten werden müssen.
Das gilt auch für andere Bereiche des Öffentlichen
Dienstes und der Wirtschaft.
Die zuständige Bezirksregierung verlangte von der
Schulleitung eine durch Erlaß gedeckte Begründung,
weswegen der Altbewerber vorzuziehen sei, wenn eine
vorhandene Lehrbefähigung des Konkurrenten vor-
handen ist, etwa wegen einer höheren Qualifikation
für die Aufgaben der Vertragsstelle.
Im Ergebnis wurde der Mitbewerber eingestellt, obwohl
die Schulleitung auf die bessere Qualifikation des
Klägers hingewiesen hatte. Daher erhielt also ein
schlechter qualifizierter Bewerber ausschließlich wegen seines Alters eine laufbahnunabhängige Vertretungsstelle.
Dieses Resultat ist praxisfern und durch das geltende
Recht nicht gedeckt.
Zunächst muß geprüft werden, ob die Grundsätze über
Kettenarbeitsverträge aus Treu und Glauben, Sitten-
widrigkeit und BefristungsG nicht tangiert sind.
Das mehrfach durch jeweilige Neuverträge entstandene
Arbeitsverhältnis, unabhängig vom Altdienstverhältnis,
kann zu einem Vertrauenstatbestand führen, der sogar
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis rechtfertigen würde.
Auch der "sachliche Grund" für die Befristung würde
dann keine Rolle spielen. Nur, wenn ein gesetzliches
Verbot, das im übrigen dem Spezialitätsgrundsatz
unterliegt, vorhanden wäre, käme ein anderes Ergebnis
in Betracht.
Denn ansonsten liegt in der Altersberücksichtigung
gerade die Diskriminierung, die wegen des
Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauens-
schutzes, der bis auf die Gründe des BGB, die Recht-
sprechung des Reichsgerichts zurückgeht einschlägig
wäre. Das AGG, die Richtlinie und der TV-L haben
zunächst damit nichts zu tun.
Liegt ein solchen Verbot vor?
In Rdnr. 16 weist das Gericht auf "legitime" Ziele
hin, die beschäftigungspolitischer Natur sind.
Die in Rdnr. 20 erwähnten Höchstaltergrenzen §§ 33 I, V
TV-L sind weder beschäftigungspolitische Grundsätze
für eine altersmäßige Normalverteilung von Beschäftigten,
noch sehen sie eine besondere Förderung jüngerer,
schon in der Laufbahn bevorzugter Bewerber vor.
Diese Regelungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnises und in Abs.5 sind viel älter als
das AGG und die Richtlinie der EU.Es sind Schutzvor-
schriften für die Beschäftigten, damit diese parallel
zu sozialrechtlicher Versorgung wirken und keine
Weiterbeschäftigung vorgenommen werden darf.
Es sollte zu keiner Doppelwirkung kommen.Niemand
dachte bei Schaffen dieser Normen an eine Grundsatz-
entscheidung für die Beschäftigung junger Kandidaten.
Diese werden bei den Laufbahnstellen berücksichtigt.
Das BAG konstruiert hier etwas hinein, was es gar
nicht gibt. Versteht man - jenseits des Wortlauts -
§ 33 TV-L wie das BAG, so würde Art.33 II GG
derogiert, eine Meinung die das BAG sogar vertritt.
Die Organisationsfreiheit(Rdnr. 29) hat aber nichts
mit der individualrechtlichen Einstellungsentscheidung
zu tun. Eine sozialpolitische Grundsatzentscheidung
im Recht zugunsten der jungen Generation existiert
nicht. Man findet nach AGG und Richtlinie zwar
Differenzierungen zwischen den Generationen
(z.B. Generationenvertrag im Rentenrecht), diese sind
hier aber nicht einschlägig, weil nicht konstituiert.
Nach Abs.5 (TV-L) ist die Weiterbeschäftigung geregelt,
damit es ermöglicht wird, diejenigen die die Laufbahn und Dienstalter überschritten haben, weiter zu beschäftigen, wenn Bedarf besteht. So ist es hier.
Daß die Kündigungsfrist -anders als ggfls. nach
KündigungsschutzG - nur 4 Wochen beträgt, hat mit
einer - durch das Gericht unterstellten - Grundsatz-
entscheidung für junge Bewerber gar nichts zu tun.
Es ist eine Harmonisierungsvorschrift der Tarifvertrags-
parteien mit Blick auf die ja durch Rente/Pension
bereits vorhandene Versorgung. Weil kein Bedarf
an einer weiteren sozialen Absicherung besteht, wird
die Frist so kurz gehalten. Es soll flexibel und auf Bedarf
reagiert werden. Das BAG liegt in seiner Argumentation
gänzlich neben der Sache.
Der Erlaß des Landes, auf den sich die Bezirksregierung
beruft, soll auch nicht eine Präferenz für jüngere
Bewerber markieren, sondern bloß sicherstellen, daß
der Vorteil der höheren Berufserfahrung im Verhältnis
zu anderen Kriterien im Einstellungsvorgang nicht zu
stark gewichtet werden darf.Z.B. kann die Einstellung
jüngerer Bewerber passend sein, wenn der Personal-
körper bereits sehr viel ältere Kollegen enthält und
sachlich jüngeres Personal opportun ist.Etwa im Er-
ziehungsbereich wegen der Identifikation von Kindern,
in Kindergärten, wo es eine pädagogische Rolle
spielt.
Bildung ist aber nicht Erziehung. Die höhere
Bildung in Gymnasien und an Hochschulen unterscheidet
nicht nach Alter. Das Akademische kennt kein Alter.
Bildung ist nicht altersabhängig.
Das Gericht unterläßt pflichtwidrig konkrete Überlegungen
zu Lage der Beschäftigten in Gymnasien.
Vielleicht ist in diesem betroffenen Gymnasium der
Altersanteil der jungen Lehrer im Kollegium voll ver-
schoben und durch die Einstellung eines älteren
entsteht ein Zugewinn. Ein Altersüberhang in die andere
Richtung wurde im übrigen nicht vorgetragen.
Das Gericht setzt sich dem Vorwurf aus, die Richtlinie
der EU und das AGG zu verdrehen und deren Intentionen
zu verkürzen. Das gilt auch für die völlig praxisferne
Überinterpretation von TV-L und Erlaß.
Den Erlaß darf man im übrigen auch nicht überstrapa-
zieren. Nicht nur, daß ein Erlaß kein Gesetz ist,
sondern ein voll durchprüfbare Verwaltungsvorschrift.
Hier ist zu sehen, daß es in allen Altersgruppen Vor- und
Nachteile für die Beurteilung der Beschäftigten gibt.
Auch der 30jährige muß sich im Einstellungsverfahren
die höhere Erfahrung des 45jähigen vorhalten lassen.
Die Fälle der Beurteilung bei Dienstalterüberschreitung liegen genauso.
Das Laufbahnrecht und die beamtenrechtlichen
und tarifrechtlichen Vorschriften führen hier zur
Lösung. In der Laufbahn existiert der über 65 jährige
grundsätzlich nicht mehr.
Der TV-L beruft sich nicht auf die Richtlinie 2000/78 EG,
sondern ist weit älter. Er kennt keine Vorschrift des
" gesamtgesellschaftlichen Anliegens der ausgewogenen
Beschäftigung"(Rdnr. 30).In dieser Allgemeinheit
kann es ein politisches Ziel sein. Das deutsche Recht
kennt einen solchen Grundsatz nicht, jedenfalls nicht
in einer konkreten individualrechtlichen Ausstrahlung.
Es widerspricht der Einschätzungsprärogative der
Unternehmen/Arbeitgeber im öffentlichen und
privaten Bereich und der personalen Komponente des
Arbeitsverhältnisses.
Dieses Anliegen müßte im übrigen Verfassungsrang
haben und Art.33 GG derogieren, also den Leistungs-
grundsatz. Vom Wortlaut her ist keine genannte
Vorschrift dazu in der Lage.
Außerdem ist die "hinreichende Qualifikation" bloß ein
Zulassungsgrund für das Auswahlverfahren und kein
Entscheidungskriterium zwischen Konkurrenten. Dort
gilt Bestenauslese. Die Erwägungen des Gerichts
sind daher nicht zutreffend.
Falsch ist auch der in Rdnr. 32 vorgenommene
Hinweis auf EuGH - C - 670/18, eine italienische
Vorlage, in der es um die Vergabe von staatlichen
Aufträgen an Private geht, die durch die dortigen
Behörden unter Hintanstellung der älteren Firmen-
inhaber, die bereits im Ruhestand sind, vorgenommen
wurden.
Arbeitsrecht und Auftragsrecht sind nicht identisch.
Ob dem EuGH in der Sache zuzustimmen ist,
muß hier nicht entschieden werden. Nach Rz.46 der EuGH-Entscheidung wird dort bejaht, daß allgemein
eine "Verjüngung" der "erwerbstätigen Bevölkerung"
ein legitimes Ziel sei, wenn sie unter Ausschluß
der Ruhestandsinteressenten geschieht. Solche
Zielsetzungen kennt das deutsche Recht nicht, schon
gar nicht bei Vertretung oder Gaststellen, die
unter Bedarfsvorbehalt stehen.
Man denke nur an Art.12, 14 GG.
Insgesamt ist hier die individualrechtliche Perspektive
völlig verloren gegangen.
Soweit sich das Erfurter Gericht als Anregungsgeber
für die Politik versteht, muß darauf hingewiesen werden,
daß nicht die jüngere Bevölkerung zahlenmäßig zunimmt, sondern die Menschen immer älter werden und damit häufig auch die beruflich interessierten. Ob solche Anregungen daher Gehör finden, mag dahinstehen.
Schon das Bundesverfassungsgericht mußte in seiner
Geschichte die Kritik als "Ersatzgesetzgeber" hinnehmen
und hat dies später auch berücksichtigt.
Die Entscheidung des BAG überzeugt jedenfalls nicht.
ic - 15. Aug, 18:58